Schulleiterhandbuch /Dr. Josef Raabe

30.07.2001

Systemische Organisationsaufstellungen im Schulkontext

Eine Möglichkeit zur Klärung vielfältiger Fragestellungen

im Handbuch: Schulleitung und Schulentwicklung, Dr. Josef Raabe Fachverlag für Bildungsmanagement, 2001

Kristine Erb, München



Inhalt

Seite

1. Vorbemerkung
2. Die Methode
2.1 Die systemische Sicht in Institutionen
2.2 Welchen Nutzen bieten Systemaufstellungen?
2.3 Das Besondere
2.4 Die phänomenologische Arbeitsweise
2.5 Wieso systemisch?
2.6 Welche Methoden haben das Aufstellen beeinflusst?
2.7 Wie wirken Aufstellungen?
3. Einsatzmöglichkeiten von Aufstellungsarbeit für die Schulleitung
3.1 Für welche Fragen eignen sich Aufstellungen im Schulkontext?
3.2 Was für Positionen können aufgestellt werden?
3.3 Welche Grundprinzipien gibt es in Organisationen?
3.4 Wie beeinflusst das Ursprungsfamiliensystem das Arbeitssystem?
3.5 Der Unterschied von Organisationsaufstellungen zu Familienaufstellungen
3.6 Das notwendige Setting für Aufstellungsarbeit
3.7 Was sollte beachtet werden?
4. Praktische Beispiele aus dem Schulalltag


Systemische Aufstellungen werden seit 25 Jahren erfolgreich im familiären Kontext eingesetzt. Seit neuestem werden sie auch verstärkt für Fragen im beruflichen Bereich nachgefragt. Sie geben Klarheit für vielfältige Fragestellungen, die im Schulalltag auftauchen. Zum Beispiel: Wie nehme ich meinen Platz als neuer Schulleiter ein? Was ist im Kollegium los? Wie lässt sich ein vorliegender Konflikt x lösen? Mit Hilfe systemischer Aufstellungen werden in kurzer Zeit mögliche Lösungsansätze sichtbar.












Vorbemerkung

Systemische Organisationsaufstellung ist in erster Linie ein Mittel zur Klärung der eigenen Position in einem Konflikt oder Prozess. Fühlt sich ein Schulleiter blockiert, weil Schulentwicklungsvorhaben nicht voran kommen, fühlt er sich seiner Position nicht anerkannt oder zwischen verschiedenen Gruppen des Kollegiums stehend vor Entscheidungen, bewegen ihn unbestimmte arbeitsbezogene Ängste kann er mit Hilfe der systemischen Organisationsaufstellung Ursachen erkennen, Zusammenhänge durchschauen. Indem Lösungsbilder entworfen werden, entstehen darüber hinaus Handlungsspielräume, die unmittelbar Wege für positive Veränderungen in der Organisation eröffnen.

Aufstellungsarbeit ist ein sehr kraftvolles Instrument. Um adäquat mit jedem auftauchenden Thema umgehen zu können, braucht es umfangreiches Wissen bezüglicher notwendiger Handlungsschritte. Die Arbeit sollte von erfahrenen Fachleuten in einem geschützten Rahmen durchgeführt werden - am besten von einer neutralen, nicht zum System gehörenden Person. Auf keinen Fall sollten Organisationsaufstellungen mit am System beteiligten Personen durchgeführt werden. Verschiedene Fortbildungsinstitute bieten eine Arbeit mit dieser Methode an. Weiter Informationen können Sie auch im Internet unter www.systeme-in-aktion.de finden.


2. Die Methode


Der typische Ablauf einer Aufstellung
Der Klient schildert sein Anliegen.

Der Aufstellungsleiter schlägt vor, welche Positionen besetzt werden.

Der Klient sucht sich Stellvertreter für die einzelnen Positionen aus.

Die Repräsentanten werden vom Klienten im Raum aufgestellt.

Der Klient setzt sich und schaut zu.

Der Aufstellungsleiter befragt die Repräsentanten.

Das erste Bild spiegelt den Status quo der Situation.

Der Aufstellungsleiter schlägt andere Positionen im Raum und klärende Dialoge vor.

Der Klient stellt sich ins Schlussbild und nimmt es in sich auf.

Die Repräsentanten werden entlassen und gehen aus ihren Rollen.


Ein Klient, zum Beispiel der Leiter einer Schule, schildert sein Anliegen: „Ich weiß zurzeit nicht, was in meinem Lehrerkollegium los ist. Im Moment geht mit neuen geplanten Projekten nichts vorwärts. Ich möchte wissen wie ich mich verhalten soll.“ Eine andere öfters gestellte Frage ist beispielsweise: „Ich habe das Gefühl, dass einer meiner Lehrerkollegen mich in meiner neuen Position nicht akzeptiert. Ich möchte wissen, wie ich mich verhalten soll.“
Mit Hilfe von Repräsentanten, die der Klient, hier der Schulleiter, in der anwesenden Gruppe auswählt, stellt er die intuitiv empfundenen Beziehungsstrukturen des betroffenen Systems, in diesem Fall sich und das Lehrerkollegium, im Raum auf. Es können sowohl konkrete Personen als auch abstrakte Positionen wie Projektziele, alternative Entscheidungen aufgestellt werden. Die notwendigen Positionen zur Bearbeitung des Anliegens schlägt der Aufstellungsleiter vor.
Das Befragen der Stellvertreter nach ihrer Befindlichkeit an dem zugewiesenen Platz ergibt erstaunliche Hinweise auf den Status quo der Situation eines Systems. Ein Schulleiter erkennt beispielsweise einen ihm nicht bekannten Konflikt zwischen zwei Kollegen des Teams. Es haben sich zwei Parteien gebildet, die momentan nicht miteinander arbeiten können. Oder die Aufstellung zeigt deutlich, was es braucht, damit der Schulleiter seine Stelle kraftvoll einnimmt und eine klare Position gegenüber dem speziellen Kollegen bezieht.
Räumliches Umstellen und verbale Interaktionen leiten Veränderungsprozesse ein. Der Schulleiter erkennt beispielsweise, wie er sich dem Kollegium gegenüber bestmöglich verhalten kann, um weitere Projektziele zu erreichen. Der Aufstellungsleiter schlägt den Stellvertretern Sätze zur verbalen Interaktion vor. Sie werden von den Repräsentanten überprüft und, falls sie den Kern treffen, nachgesprochen. Sätze wie “Ich schätze ihre langjährige Erfahrung an der Schule. Ich bin jetzt neu dazugekommen und bin jetzt der Schulleiter. Bitte respektieren sie dies.“ zeigen erstaunliche Wirkung.
Das erarbeitete Lösungsbild dient als Kraftquelle und erweitert den Handlungsspielraum desjenigen, der aufstellt. Oft setzten sich die neuen Erkenntnisse erstaunlich schnell im Alltag um.
Auch im Einzelcoaching kann diese Methode angewendet werden. Anstatt mit Repräsentanten wird z.B. mit Blättern oder symbolischen Gegenständen gearbeitet. Der Klient stellt sich selbst auf die unterschiedlichen Positionen und spürt sich in die unterschiedlichen Rollen hinein.


2.1 Die systemische Sicht in Institutionen

Um Veränderungen in Institutionen erfolgreich einzuleiten und zu etablieren ist eine systemische Betrachtungsweise wichtig. Jedes Mitglied eines Systems hat einen bestimmten Handlungsspielraum. Dieser wird von anderen Systemelementen bestimmt. Das bedeutet in der Praxis, dass es für jede Entscheidung wichtig ist, den Gesamtkontext zu berücksichtigen. Oft spielen gegenseitige Achtung und Würdigung eine große Rolle. Werden Rangfolge, Zugehörigkeit, der Ausgleich von Geben und Nehmen beachtet und erhält jeder seinen angemessenen Platz, profitiert das ganze System.
Woher kommen systemische Aufstellungen?

Die Methode wird als eine der erfolgreichsten lösungsorientierten Kurzzeitintervention im familientherapeutischen Kontext praktiziert. Inzwischen wird sie international eingesetzt.
Von Bert Hellinger wurde in den letzten 25 Jahren das so genannte Familienaufstellen entwickelt und verfeinert. Grundlegende Ordnungen in Familiensystemen und das, was sie in Un-Ordnung bringt, wurden erforscht. Inzwischen gibt es viel Wissen über adäquate Interventionsschritte zur Kraftfindung und Lösung für den Klienten in verstrickten familiären Situationen. Mit Hilfe von Aufstellungen ist es möglich, unbewusste Muster mit Hilfe von Aufstellungsarbeit zu erkennen. Dadurch verändert sich der Handlungsspielraum des Klienten. Neue Verhaltensweisen werden möglich.

In den letzten Jahren wurde begonnen, die Aufstellungsarbeit auch in anderen Bereichen, insbesondere den systemischen Verstrickungen beruflicher Kontexte, zu erforschen und einzusetzen. Sehr interessant sind dabei die Verbindungen und Unterschiede von familiären und berufsbezogenen Systemen.

Systemische Aufstellungen im Berufskontext

Die Entwicklung steht im Organisationsbereich noch relativ am Anfang. Sicherlich werden sich noch viele Erkenntnisse über grundlegende Ordnungen und Strukturen von Arbeitssystemen herauskristallisieren.

In Unternehmen und Institutionen wird in letzter Zeit gehäuft nach Aufstellungen gefragt. Mitarbeiter und Führungskräfte haben davon gehört oder sie haben Familienaufstellungen kennen gelernt und wissen um den Nutzen für den beruflichen Kontext.


2.2 Welchen Nutzen bieten Systemaufstellungen?

Für vielfältige Fragestellungen können systemische Aufstellungen in sehr kurzer Zeit maximale Erkenntnisfortschritte erzielen. Konkrete Handlungsalternativen werden aufgezeigt. Im Vergleich zur Anwendungen alternativer Methoden kann viel Zeit gespart werden.

Die Teilnahme an systemischen Aufstellungen schärft die eigene Wahrnehmung. Zusammenhänge werden zukünftig anders eingeschätzt. Eine Lehrerin, die nach jahrelanger Tätigkeit vom Schulalltag gestresst war, beschreibt die Wirkung von Aufstellungsarbeit folgendermaßen: „Durch meine häufige Teilnahme an Aufstellungsseminaren kann ich vieles gelassener sehen. Gerade Konflikte, die ich bei meinen Schülern erlebe, kann ich jetzt klarer einordnen. Oft hängen sie mit deren familiärem Kontext zusammen. Mein Blick dafür wurde insbesondere durch das Familienstellen geschärft.“

Wandlungsschritte stehen im Vordergrund.


2.3 Das Besondere


Das Besondere an Aufstellungen ist das Phänomen, dass Stellvertreter sich, ohne vorherige Preisgabe von Information über ein System, in Personen und abstrakte Positionen hineinspüren können. Dies ist ein grundlegender Unterschied zu herkömmlichen Rollenspielen: Hier ist die Information von dem, was vorgefallen ist, wichtig. Unbewusste Phänomene kommen beim Aufstellen ans Licht und es kann dadurch bewusst mit ihnen umgegangen werden. Die Wirklichkeit zeigt sich neu.


2.4 Die phänomenologische Arbeitsweise


Grundlegend bei der Aufstellungsarbeit ist ein phänomenologisches Vorgehen, d.h. was während des Aufstellens auftaucht, sich zeigt und sichtbar wird, ist in diesem Moment wichtig ist. Damit wird bei Aufstellungen gearbeitet. Der wichtigste Maßstab der Aufstellungsleiter für das weitere Vorgehen im Aufstellungsprozess ist die Wirkung von Interventionsvorschlägen auf die Repräsentanten während der Suche nach Lösungen.

„In aus Menschen bestehenden Systemen, wie z.B. Unternehmen, Institutionen, Organisationen, Kundenbeziehungen, gibt es eine unausgesprochene Ebene, die als das gemeinsame Feld des Unbewussten des Systems bezeichnet werden kann. Systemische Aufstellungen bieten einen sehr lebendigen Zugang zu neuen Dimensionen von Zusammenhängen und ermöglichen auf phänomenologische Weise Einblicke in das, was Systeme verbindet und zusammenhält. Der Drang über diese Themen mehr zu erfahren und zu begreifen besteht momentan in vielen Wissenschaften, wie z.B. der Physik, Biologie und bei Innovations- und Zukunftsforschern. Der Zusammenhang morphogenetischer Felder wird weltweit untersucht. Schlagworte wie "Vernetzung", "systemisches Denken" und "lernende Organisationen" beherrschen die gesellschafts- und organisationspolitische Debatte.“


2.5 Wieso systemisch?


Eine Aufstellung bezieht den Gesamtkontext mit ein. Das ganze System wird bei der Findung von Lösungsschritten mitberücksichtigt. Eine Veränderung eines Teilchens hat Einfluss auf alle anderen Systemteilchen. Daher wurde der Begriff systemische Aufstellung gewählt.


2.6 Welche Methoden haben das Aufstellen beeinflusst?

Als Vorläufer von Aufstellungen können sowohl das Psychodrama (nach Moreno), Familienskulpturen und Familienrekonstruktionen (Satir) bezeichnet werden. Elemente dieser Methoden haben das Aufstellen mitbeeinflusst; ebenso umfangreiche Elemente der klinisch modernen Hypnotherapie nach Erickson.




















Aufstellen beruflicher Themen
- Klassisches Organisationsaufstellen mit konkreten Personen
- Aufstellen abstrakter Positionen (Aufgaben, Kunden,
Dienstleitungsnehmer, Leitbilder, Störungen, Institutionsstrukturen etc.)

Abb 1: Einfluss unterschiedlicher therapeutischer Richtungen auf das Aufstellen

2.7 Wie wirken Aufstellungen?

Das erarbeitete Lösungsbild wirkt über die Erinnerung. Wichtig ist das Erlebte im Anschluss nicht zu zerreden sondern wirken zu lassen. Oft setzen sich gerade berufliche Fragen erstaunlich schnell um. Das Unbewusste nimmt den erlebten Prozess und mögliche Veränderungsschritte auf und integriert die wichtigen Bestandteile.


3. Einsatzmöglichkeiten von Aufstellungsarbeit für die Schulleitung


3.1 Für welche Fragen eignen sich Aufstellungen im Schulkontext?


Vielfältige Fragestellungen können mit Aufstellungen geklärt werden.

Leitung/Kollegium

Wie nehme ich meine Leitungsfunktion wahr?
Wo ist mein adäquater Platz im System?
Was ist los im Kollegium?
Wie gehe ich den Spannungsfeldern der beteiligten Hierarchieebenen um?
Wie lässt sich die Zusammenarbeit im Kollegium verbessern?
Wie wird das Projektziel am besten realisiert?
Wie ist ein aktueller Konflikt zu bewältigen?

Lehrer-Schüler-Beziehung

Was löst der Schüler x bei mir aus?
Um was geht es wirklich bei Schülerin Y?
Wie gehe ich mit den unterschiedlichen Nationalitäten in meiner Klasse um?
Wie arbeite ich optimal mit der Schülervertretung zusammen?

Beruf-Persönliches

Wie lassen sich berufliche und private Ziele unter einen Hut bringen?
Wie verhindere ich eine Burn-out-Syndrom?
Welche Ängste belasten mich und wie kann ich sie abbauen?
Wie kann ich für mich ein positives Verhältnis von Nähe und Distanz zum Berufsalltag schaffen?
Entscheidungen: Wechsle ich oder bleibe ich?


3.2 Welche Positionen können aufgestellt werden?

Zum einen können Repräsentanten für personenbezogene Fragen aufgestellt werden: z.B. der Kollege Herr Maier, der Leiter Herr Schröder, Kollegin Frau Müller.

Sehr wirkungsvoll ist auch das Aufstellen abstrakter Elemente: die Aufgabe, das Ziel, Entscheidungsalternativen a + b, „Das, worum es geht“, Hindernisse etc.


3.3 Welche Grundprinzipien gibt es in Organisationen?

Die Aufstellungsarbeit in Organisationen ist längst noch nicht so erforscht, wie das seit 20 Jahren praktizierte Familienstellen. Es gibt jedoch einige Grundprinzipien, die sich immer wieder beim Aufstellen von Institutionen zeigen und somit auch im Schulbereich ihre Gültigkeit haben. Werden diese Prinzipien nicht beachtet, zeigen sich beim Aufstellen die daraus resultierenden Störungen im System.


Grundprinzipien beim Organisationsaufstellen2

Das Recht auf Zugehörigkeit
In Organisationen hat jeder das gleiche Recht dazuzugehören.
Jeder hat die Verpflichtung gemäß der Position, seinen Beitrag und Einsatz zur Erhaltung und Erneuerung der Organisation zu leisten.

Geben und Nehmen
Unausgeglichene Bilanzen fördern Unzufriedenheit, Schuldgefühle und unbewusstes Verlangen nach Ausgleich. Der, dem Unrecht geschieht, bekommt Macht, und der, der dauerhaft mehr gibt, als er nimmt, fördert Beziehungsabbrüche. Sowohl Überversorgung wie Ausbeutung haben Folgen.

Wer länger da ist, hat Vorrang
Bei Gleichgestellten hat derjenige, der früher da war, die älteren Rechte.
Diese müssen von Dazugekommenen anerkannt werden (insbes. Gründer, Initiatoren).

Leitung hat Vorrang
Eine Organisation hat ein Bedürfnis nach Führung.
Mythen wie „Wir sind alle gleich !“ fördern Unsicherheit.

Leistung muss anerkannt werden
Besondere Leistungen und Fähigkeiten müssen anerkannt und gefördert werden, damit derjenige bleiben kann. Beispielsweise durch Sätze des Leitenden wie: “Ich schätze Ihren Einsatz und den Beitrag, den sie hier für die Firma einbringen, sehr und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.“

Gehen und Bleiben
Bleiben kann jemand, der die Organisation braucht und der seine Funktion ausfüllt. Ein Mitarbeiter, der die Organisation nicht mehr braucht, kann etwas verfehlen, wenn er bleibt. Kämpfe, Demotivierung und Vertrauensverlust sind die Folge. Es ist wichtig, dass eine Trennung in gutem Einvernehmen und in gegenseitiger Achtung vollzogen wird, damit es in der Organisation gut weiter gehen und der Betreffende an der nächsten Stelle gut ankommen kann.

Organisationen sind aufgabenorientierte Systeme
Oft beschäftigen sich Mitarbeiter mit sich selbst, mit Beziehungsproblemen oder klagen über „die oben“ und die Zustände. Dann ist es wichtig, die Aufgabe, das Ziel oder die Kunden aufzustellen.

Stärkung oder Schwächung
Am richtigen, angemessenen Platz fühlt man sich sicher und gelassen und bei guter Energie. An angemaßten Plätzen entstehen Größenfantasien und derjenige steht mit aufgeblasener und geschwollener Brust. An schwächenden Plätzen ist derjenige selbst nicht gewürdigt, würdigt sich selbst nicht oder es fehlt ihm an Unterstützung. Schwächende Gefühle haben oft mit alten Mustern aus der Ursprungsfamilie zu tun.

Das Alte und das Neue
Erst muss das Alte gewürdigt werden, damit das Neue eine Chance hat.
Dabei geht es um die innere Haltung.


3.4 Es zeigt sich immer wieder in Aufstellungen, dass Klienten sich in der Arbeitswelt einen Platz suchen oder schaffen, der dem Platz in ihrem Ursprungsfamiliensystem (d.h. Klient, Geschwister und Eltern) ähnlich ist. So nimmt jemand, der sich in der Arbeit als Außenseiter fühlt, u.U. auch im Familiensystem einen Außenseiterplatz ein. Oder jemand, der sich sehr viel Arbeit auflädt, hat dies schon in der Ursprungsfamilie getan, z.B. der allein erziehenden Mutter viel abgenommen oder ein Geschwister aufgezogen.

Bei Fragestellungen, die dies stark vermuten lassen – vorrausgesetzt die Bereitschaft des Klienten ist vorhanden – bietet es sich an, mit der Aufstellung der Familiensituation zu beginnen. Eine zweite Möglichkeit ist, während der Organisationsaufstellung die Ebene zu wechseln und mit der Familienkonstellation ---weiterzuarbeiten.


3.5 Der Unterschied von Organisationsaufstellungen zu Familienaufstellungen


Der Hauptunterschied von Familienaufstellungen zu Organisationsaufstellungen ist:

Ein Arbeitssystem kann man verlassen, ein Familiensystem nicht.

Darin liegt auch der Unterschied der größeren Intensität von Familienaufstellungen im Vergleich zu Organisationsaufstellungen begründet.


3.6 Das notwendige Setting für Aufstellungsarbeit


Für Aufstellungsarbeit wird ein geschützter Rahmen benötigt. Das bedeutet in der Praxis, dass beispielsweise ein Führungsthema eines Schulleiters nicht mit Repräsentanten aus dem Kollegium aufgestellt werden sollte. Am besten eignet sich ein offenes Seminar: Jeder Teilnehmer kommt aus (räumlich) unterschiedlichem Kontext und will sein Anliegen bearbeiten und stellt sich im Ausgleich dafür als Stellvertreter zur Verfügung.

Ist keine Gruppe verfügbar, kann auch im Einzelcoaching gearbeitet werden. Hier spürt sich der Klient selbst in die unterschiedlichen Positionen hinein. Dafür können Blätter oder Kissen als Platzhalter verwendet werden.

3.7 Was sollte beachtet werden?


Aufstellungsarbeit ist ein sehr kraftvolles Instrumentarium. In sehr kurzer Zeit können Lösungen entwickelt werden. Es können sehr persönliche Aspekte der aufstellenden Personen ans Tageslicht kommen. Daher sollten sie von Fachleuten mit viel Erfahrung durchgeführt werden. Die Bereitschaft der Teilnehmer eines Seminars auf der Aufstellungsebene zu arbeiten ist eine wichtige Vorraussetzung. Ein geschützter Rahmen ist notwendig.


4. Praktische Beispiele aus dem Schulalltag

Wieso befolgt mein Stellvertreter meine Anordnungen nicht?

Herr K. kam zum Aufstellen, als er gerade 6 Monate die Schulleitung an einer neuen Schule übernommen hatte. Er hatte sich geärgert, weil einige seiner Anordnungen, insbesondere von seinem Stellvertreter, nicht befolgt worden waren. Er stellte sich, seinen Stellvertreter und zwei Repräsentanten für das übrige Kollegium auf.
Im ersten Bild stand der Repräsentant von Herrn K. links von seinem Stellvertreter. Sein Stellvertreter fühlte sich ganz wohl auf dem Platz, die Stellvertreter fürs Kollegium fühlten sich orientierungslos.

Als Herrn K. der Platz rechts neben dem Stellvertreter vorgeschlagen wurde, hatte er ein Problem ihn einzunehmen und er äußerte spontan „Mir fällt es schwer meinen Platz einzunehmen“. Ihm wurde eine Kraftquelle in den Rücken gestellt (Oft stellt man auch den Vater). Er spürte eine Stärkung und konnte sagen „Jetzt nehme ich meinen Platz ein. Ich habe hier die Leitung.“
Sein Stellvertreter war etwas unwirsch und trotzig und brauchte noch die Aufforderung vom Schulleiter „Ich bin hier der Erste und Sie der Zweite, der Stellvertreter. Ich bitte Sie dies anzuerkennen.“
Bei den beobachtenden Stellvertretern trat gleichzeitig Erleichterung ein.



Abb. 2: Status quo der Situation

Abb 3: Lösungsbild


Solange ein Schulleiter die Führungsrolle nicht einnimmt, wird er von seinen Kollegen nicht anerkannt. Je nach Struktur gibt es andere, die diese Rolle für ihn übernehmen wollen, jedoch dafür keine offizielle Ausführungskompetenz haben. Dies wiederum führt zu Spannungen unter den anderen Kollegen.

Ursächliche Prägung für solche Verhaltensweisen sind meist in der Position im Ursprungsfamiliensystem zu finden: Berufstätige suchen sich einen ähnlichen Platz im Arbeitssystem wie den, den sie im Familiensystem kennen gelernt haben.


Ich kann meinen Leiter nicht akzeptieren

Bei einer anderen Aufstellung mit ähnlicher Problematik , bei der auf die Familienebene gewechselt wurde, stellte sich heraus, dass der Stellvertreter ein von der Mutter alleinerzogenes Kind war und gewohnt war, an der Stelle seines Vaters zu stehen. Zum einen fühlte er sich geehrt – jedoch gleichzeitig auch überfordert. Zudem ist dies natürlich von Seiten des Kindes eine Anmaßung.

Manchmal kann man ein auftauchende Verstrickung auf der Organisationsebene lösen, manchmal steht der Wechsel in die Familienebene zur Herkunftsfamilie an. Dadurch kann dann eine Tendenz sich den falschen Platz zu suchen ursächlich angegangen und aufgelöst werden.



Was ist mit meinem Schüler los?

Eine Lehrerin kam zu Aufstellen mit dem Anliegen „Seit einigen Monaten beschäftigt mich ein Schüler K. bei mir in der Klasse sehr stark. Er kommt aus Kroatien und verbreitet viel Unruhe in der Klasse.“

In der Aufstellung wurden die Lehrerin, die Schüler, der Schüler K, eine Position für später, eine Position für Deutschland und eine für das Heimatland des Schülers K. (Kroatien) gestellt sowie eine Position für das Lernen (Das, worum es in diesem System geht).


Das erste Aufstellungsbild zeigte, dass die Lehrerin sehr stark auf den Schüler K. fixiert war. Dieser wiederum fühlte sich sehr unsicher an seinem Platz. Die anderen Schüler waren sauer auf die Lehrerin, weil sie einem Schüler so viel Aufmerksamkeit gab und die anderen wenig beachtete.

Später wurden Deutschland und Kroatien dazugestellt. Der Schüler K. beruhigte sich daraufhin sofort. Die Beteiligten nahmen veränderte Plätze im Raum ein und plötzlich war eine Atmosphäre da, in der jeder jeden sah und wahrnahm. Für den Schüler K. war es sehr wichtig sein Heimatland im Rücken zu spüren. Die anderen nahmen ihn daraufhin sofort viel kraftvoller wahr. Das Lernen fühlte sich endlich voll gesehen und hatte das Gefühl: Jetzt kann es losgehen.

Menschen, die im Ausland leben und arbeiten, wirken viel kraftvoller, wenn sie die Kraft ihrer Wurzeln, hier das Heimatland, integriert haben. Verleugnen sie den Kontakt dazu, wirken sie geschwächt und instabil.

1 Erb, K.: Die Ordnung des Erfolgs. München 2001, S. .
2 Weber, G./Gross, B.: Organisationsaufstellungen. In: Praxis des Familienaufstellens. 1998, S. .
Erb, K.: Der Einsatz systemischer Aufstellungen in der Wirtschaft. In: Praxis der Systemaufstellung. Heidelber
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